- Afrikaner & Unternehmer: Celestin Monga, einer meiner Referenzen in Sachen Reflexion über den Statut-quo Afrikas

Wednesday, May 24, 2006

Celestin Monga, einer meiner Referenzen in Sachen Reflexion über den Statut-quo Afrikas


Die vier großen Schwächen Afrikas
Es wäre von Vorteil, wenn die Industrienationen unseren Staaten zum Beispiel ihre Auslandsschulden erlassen oder massiv für die Finanzierung sorgfältig geplanter und wirtschaftlich hoch ertragreicher infrastrukturprogramme aufkommen könnten.
Maßnahmen dieser Art haben jedoch nur begrenzten Erfolg, wenn sie nicht Teil von vor Ort geplanten Strategien sind, die dem Aufbau von Gemeinschaften, der Wiederherstellung der Führungsethik und der Schaffung von Bildungssystemen, die auf Wissen, Lernen und organisatorische Fähigkeiten abzielen, dienen.
Mit Bedauern stelle ich fest, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass künftig viele der großen Staaten, die der Entwicklung der afrikanischen Länder südlich der Sahara förderlich sein könnten, weiterhin in politische Konflikte verstrickt und unter den fehlenden Institutionen, dem Mangel an intellektuellen Eliten sowie an sozialer und moralischer Armut leiden werden. Ich kann den derzeit vorherrschenden politisch korrekten Optimismus nicht teilen. Er beruht nämlich auf ungenauen Statistiken über die makroökonomische Stabilisierung und der Scheinheiligkeit der geringen Chancen unserer Bevölkerung.
Der Inkrementalismus ist keine Lösung für die derzeitigen Probleme. Ganz im Gegenteil, es bedarf eines Ansatzes, der jenem „big bang“ gleicht, der 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer die Länder Mittel- und Osteuropas erschütterte und es den meisten von ihnen ermöglichte, ihre Institutionen neu aufzubauen und zu legitimieren, ihren öffentlichen Raum zu verjüngen, die öffentliche Diskussion über den geeigneten Verlauf der Geschichte und den Sinn des Lebens ihrer Menschen zu fördern. Trotz der schwierigen Anfänge dieser Übergangsperiode haben es die meisten von ihnen innerhalb eines Jahrzehnts geschafft, ein Dutzend unter ihnen hat genügend soziale, politische und wirtschaftliche Reformen unternommen, um heuer der europäischen Union beitreten zu können. Bevor eine so rasche Entwicklung in Afrika erfolgen kann, müssen wir versuchen, die eigentlichen Probleme besser zu verstehen statt nur ihre oberflächlichen Symptome zu heilen.
Es ist einfach, die verschiedenen Gründe (historische, politische, wirtschaftliche und soziale) aufzuzählen, die erklären, warum Afrika die letzten Jahrhunderte über eine so schlechte Wirtschaftsleistung aufzuweisen hat. Die Jahrhunderte währende Unterdrückung war natürlich nicht förderlich, vor allem ihre schlimmste und traumatischste Form: die Sklaverei und ihre emotionalen Auswirkungen. Durch die Unterdrückung unseres Kontinents wurden wir nicht nur unserer Arbeit und unserer Ressourcen beraubt, sondern auch unseres Humanismus und unserer Würde.
Die jüngsten politischen Entwicklungen haben die Probleme nur verschlimmert: der Großteil des Kontinents wurde schlecht und viel zu lange von ungebildeten Diktatorenclans regiert, die von der so genannten internationalen Gemeinschaft unterstützt wurden. Die Wahlen- fast immer gefälscht- haben nicht die neuen, klaren und zuversichtlichen Führungskräfte hervorgebracht, die einen Kurswechsel herbeiführen hätten können. Die Wirtschaftspolitik war sprunghaft, punktuell, manchmal von außen stehenden „Experten“ aufoktroyiert worden, die nur wenig Ahnung von der Situation oder kein Interesse für unsere Probleme hatten. Diese Politik hat kein günstiges Klima für Investitionen und Wachstum geschaffen. Die schwachen sozialen Indikatoren (Bildung und Gesundheit zum Beispiel) haben das Humankapital eingeschränkt, das ein unabdingbarer Faktor für jede Form der Entwicklung ist.
Dennoch sind diese vertrauten Ursachen heute zu Symptomen der Unterentwicklung des afrikanischen Kontinents geworden. Für mich gibt es mittlerweile zwei Hauptgründe für die Probleme in Afrika, beide sind psychologischer Natur: der starke Mangel an Selbstachtung und Selbstvertrauen, an dem viel zu viele Einwohner unseres Kontinent leiden (und zwar unabhängig von ihrem sozialen Status oder ihrer Vergangenheit) und die Verachtung, die die Welt Afrika entgegenbringt. Diese beiden strukturellen Gründe verstärken einander gegenseitig und kommen in vier großen sozialen Schwächen zum Ausdruck:
Mangel an Selbstachtung, allem Anschein nach ein Relikt aus vier Jahrhunderten Sklaverei, Kolonialisierung und Postkolonialismus. Das tatsächlich größte Problem, mit dem Afrika heute zu kämpfen hat, ist die Tatsache, dass die Mehrheit seiner Einwohner medizinisch gesehen unter Depressionen leiden, ohne sich dessen bewusst zu sein. Das entstellt ihre Wirklichkeit und bestimmt ihr Handeln (bzw. ihre Inaktivität). Im Kongo gibt es einen sehr beliebten Artikel, den so genannten „Artikel 15“, der folgendes Gebot enthält: „Seht zu, wie ihr zurechtkommt!“ Er bezieht sich auf eine imaginäre Bestimmung in der Verfassung, die davon ausgeht, dass jeder Bürger allein mit seinen Problemen fertig werden muss…
Wissensmangel und fehlende Fortbildung, zum Teil wegen der Angst, die kulturellen afrikanischen Systeme und Kosmogonien zu zerstören und sie durch Systeme zu ersetzen, die auf Glauben und selbst erfüllenden Prophezeiungen beruhen. Unsere Angst und die Verachtung der Wissenschaft und der Technologie tragen wesentlich dazu bei.
Führungsmangel aufgrund schwacher Institutionen der Zivilgesellschaft, der mangelnden Achtung des Gemeinwohls und des vorherrschenden Systems der entstellten Werte. Zahlreiche Studierende haben mehr für international tätige Diebe übrig (in Kamerun werden sie "Feymen" genannt), als für ihre Professoren- auch wenn es stimmt, dass gewisse Professoren kein Lob verdienen…
Mangel an Kommunikation, verstärkt durch das Fehlen einer Kultur der Konfliktlösung auf allen Ebenen der Gesellschaft. Viel zu oft stellen unsere Unfähigkeit, Konflikte zu verstehen und sie erfolgreich zu lösen sowie unser gegenseitiges Misstrauen (vor allem innerhalb der wichtigsten sozialen Einheit, der afrikanischen Familie) die wichtigsten Hindernisse für eine wirtschaftliche und demokratische Entwicklungsstrategie dar.
Das größte Problem, das diese vier Defizite auf unserem Kontinent mit sich bringen, ist sicherlich die Schwächung der Familien und der Gemeinschaften sowie die Förderung des Individualismus. Das mag überraschend klingen. Doch anlässlich meiner Reisen durch die ganze Welt habe ich verschiedene
Gesellschaften und Kulturen gesehen und stelle mit Bedauern fest, dass Afrika der wahrscheinlich individualistischste Ort der Welt ist.
Was kann man dagegen tun?
Bis zum Jahr 2015 könnten viele afrikanische Länder das tun, was China, Malaysia, Costa Rica, Chile, Mauritius und Tunesien im Laufe der letzten 15 Jahre getan haben, d.h. ihre Wirtschaft dahingehend zu bewegen, dass sie jährlich um mindestens acht Prozent wächst. Das wäre zwar immer noch nicht genug, um die Massenarmut zu beseitigen, aber dadurch könnte unser Kontinent immerhin wieder seinen Platz in der Weltpolitik finden und- und das ist noch viel wichtiger- einen Beitrag zur Wiederherstellung unseres Selbstvertrauens und der kollektiven Würde leisten.
Einige der spezifischen institutionellen Bedingungen und Vorgaben politischer Natur, die uns dorthin bringen könnten, sind in den jüngsten Berichten der Afrikanischen Bank für Entwicklung und der Weltbank enthalten. Es stellt sich nun die Frage nach der Bündelung der Kräfte, damit Maßnahmen ergriffen werden können und die zurückhaltende westliche Welt dazu gezwungen werden kann, uns den Respekt entgegenzubringen, der uns gebührt. Anders gefragt: wie können wir die tiefen seelischen Wunden überwinden, die uns schon so lange plagen und die unser Wertesystem zerstört haben?
Wie können wir die Menschen dazu bringen, dass sie an sich selbst glauben und nicht an das, was ihnen die Medien über uns sagen? Wie können wir unser Glaubenssystem verändern, damit wir uns als Gesellschaft eigene Ziele setzen, selbst die Mittel finden, um diese Ziele zu erreichen und regelmäßig die dafür notwendigen Maßnahmen ergreifen können? Wie können wir den kritischen Verstand in die Bewältigung unseres täglichen Lebens einfließen lassen? Wie können wir verhindern, dass wir uns exotischen und magischen Glücksformeln hingeben? Wie können wir aufhören, in politischen Führungskräften unsere Erlöser zu sehen? Wie können wir unseren Sinn für Stolz, harte Arbeit und die hervorragende Qualität unserer öffentlichen Einrichtungen wieder finden? Wie können wir einander davon überzeugen, dass Selbstvertrauen, Selbstachtung, starke Familien und Gemeinschaften die wichtigsten Instrumente sind, um unser Schicksal in die Hand zu nehmen. Wie können wir die Wut und die Desillusion überwinden? Wie können wir einen Ausweg aus der Erniedrigung, der Selbstgeißelung und dem Selbstmord finden? Wie können wir uns von der kulturellen Entfremdung befreien? Wie können wir die Hoffnung aufrechterhalten?
Als Wirtschaftsexperte ist es mir nicht möglich, all diese Fragen zu beantworten. Ich kann nur sagen, dass die Antworten sich auf drei wichtige Ziele konzentrieren müssen.
Erstens gilt es die Philosophie sowie die Lehrpläne zu verändern, damit die afrikanischen Studenten ihre Selbstachtung, ihre Würde und ihren Stolz, ihr Vertrauen sowie ihr Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein wiedererlangen. Es muss ihnen beigebracht werden, an ihre Kreativität zu glauben, und an ihre Fähigkeit, eine bessere Zukunft schaffen zu können.
Zweitens muss gewährleistet werden, dass die jeweiligen politischen Systeme so gestaltet werden, dass
die Menschen wählen und die Regierenden regelmäßig austauschen können. Gut organisierte Wahlen oder ein „neuer“ Präsident reichen aber nicht aus. Viel entscheidender ist es zu gewährleisten, dass die afrikanischen Wähler die Regierenden frei ernennen und entlassen und so ihre Fehler bei der Wahl eines populistischen oder inkompetenten Regierungschefs wieder gutmachen können.
Drittens müssen die Meritokratie sowie die Achtung des Gemeinwohls eingeführt werden.
Diese Aufgaben- die in Wahrheit in der Schaffung von Institutionen münden- müssen von den Afrikanern selbst bewältigt werden. Natürlich kann der Rest der Welt dabei behilflich sein. Doch der dadurch geleistete Beitrag kann nur marginal sein. Natürlich wäre es von Vorteil, wenn die Industrienationen unseren Staaten zum Beispiel ihre Auslandsschulden erlassen oder massiv für die Finanzierung sorgfältig geplanter und wirtschaftlich hoch ertragreicher Infrastrukturprogramme aufkommen könnten. Maßnahmen dieser Art haben jedoch nur begrenzten Erfolg, wenn sie nicht Teil von vor Ort geplanter Strategien sind, die dem Aufbau von Gemeinschaften, der Wiederherstellung der Führungsethik und der Schaffung von Bildungssystemen, die auf Wissen, Lernen und organisatorische Fähigkeiten abzielen, dienen. Das ist ein kühnes Unterfangen, doch wir können es bewältigen.

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